Was beinhaltet eine Verlassenschaft?

Eine Verlassenschaft umfasst nach österreichischem Recht alle Rechte und Verbindlichkeiten des/der Verstorbenen. Im Wege der Gesamtrechtsnachfolge gehen diese Rechte und Verbindlichkeiten auf den/die Erben über. Die rechtliche Grundlage bildet das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB). Höchstpersönliche Rechte gehören nicht zur Verlassenschaft.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Zur Verlassenschaft gehören alle übertragbaren Vermögenswerte: zB. Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, bewegliche Sachen und Unternehmensanteile
  • Auch Schulden werden vererbt: Kredite, Steuerschulden und sonstige Verbindlichkeiten gehen auf die Erben über
  • Nicht vererbbar sind höchstpersönliche Rechte: zB. Wohnrecht, Gewerbeberechtigung, Unterhaltsansprüche, Berufstitel, Recht zur Führung akademischer Grade und Persönlichkeitsrechte. Auch nicht vollzogene Geld- und Freiheitsstrafen sind unvererblich.
  • Die Verlassenschaft wird als juristische Person behandelt, bis sie den Erben übertragen wird
  • Erben können ihre Haftung begrenzen: Dies geschieht durch die Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung

Vermögenswerte, die zur Erbschaft gehören

Nach § 531 ABGB bilden alle Rechte (Aktiva) und Verbindlichkeiten (Passiva) eines/einer Verstorbenen, soweit sie nicht höchstpersönlicher Art sind, die Verlassenschaft. Der Tod eines Menschen wird als Erbfall bezeichnet. Stirbt eine Person, setzt die Verlassenschaft als juristische Person die Rechtsposition des/der Verstorbenen fort. Zwischen Erbfall und Einantwortung ist die Verlassenschaft ein eigenes Rechtssubjekt (§ 546 ABGB). Unter Einantwortung versteht man die Übergabe der Verlassenschaft in den rechtlichen Besitz der Erben.

Zu den wichtigsten Vermögenswerten einer Erbschaft zählen Immobilien. Zur Verlassenschaft gehören nicht nur Eigentumswohnungen und Einfamilienhäuser, sondern auch Miteigentumsanteile, Baurechte und land- oder forstwirtschaftliche Grundstücke.

Bankguthaben und Wertpapiere bilden häufig einen wesentlichen Teil der Erbschaft. Hierzu zählen Spar- und Girokonten, Aktien, Anleihen, Investmentfonds sowie Lebensversicherungen mit Rückkaufswert. Auch moderne Vermögenswerte wie Kryptowährungen gehören zum Nachlass.

Zur Verlassenschaft gehören auch bewegliche Sachen, wie etwa der gesamte Hausrat, Fahrzeuge, Kunstgegenstände, Schmuck und persönliche Gegenstände des/der Verstorbenen. Unternehmensvermögen wie Geschäftsanteile an GmbHs, Beteiligungen an Personengesellschaften oder das Vermögen von Einzelunternehmen gehen ebenfalls auf die Erben über.

Auch Immaterialgüterrechte wie Urheberrechte, Patente oder Markenrechte sind grundsätzlich vererbbar.

Hatte der/die Verstorbene schließlich Forderungen gegen eine andere Person, wie etwa auf Zahlung des Kaufpreises aus einem Kaufvertrag, werden auch diese Forderungen vererbt. Dasselbe gilt für Schadenersatzansprüche.

Beispiel: A stirbt. Er hinterlässt nicht viel nennenswertes Vermögen. Ein Jahr vor seinem Tod wurde er von einem betrunkenen Radfahrer angefahren, das Zivilverfahren ist noch nicht abgeschlossen. As Ansprüche auf Heilungskosten, Schmerzensgeld und Verdienstentgang gegen den Fahrer werden vererbt.

Variante: A selbst war der betrunkene Radfahrer, durch dessen Fehlverhalten ein anderer einen Schaden erlitten hatte. A wurde im Rahmen eines Strafverfahrens vor einem Bezirksgericht zu einer Geldstrafe wegen Körperverletzung (§ 83 StGB) verurteilt. A stirbt. Seine Erben müssen die noch offenen Tagsätze nicht begleichen.

Schulden und Verbindlichkeiten des Erblassers

Ein wesentlicher Aspekt des österreichischen Erbrechts ist die Universalsukzession: Die Erben treten in alle Rechte und Pflichten des/der Verstorbenen ein. Das bedeutet, dass nicht nur Vermögenswerte, sondern auch Schulden vererbt werden. Dazu zählen zB. Steuerschulden, privatrechtliche Verbindlichkeiten wie Kredite oder offene Beträge aus einem Mietvertrag.

Die Erben haben jedoch die Möglichkeit, ihre Haftung zu begrenzen. Dies ist besonders bei einer überschuldeten Verlassenschaft ratsam. Geben die Erben eine bedingte Erbantrittserklärung ab, haften sie zwar weiterhin mit ihrem eigenen Vermögen, sie haften aber nur mehr beschränkt. Die Grenze der Haftung bildet nämlich der Wert der Aktiva der Verlassenschaft. Hatte der/die Verstorbene hohe Schulden, sollte also mit höchster Vorsicht vorgegangen werden.

Beispiel: B stirbt und hinterlässt ein Einfamilienhaus im Wert von 500.000 Euro. Die Tochter der B. fällt aus allen Wolken, als sie von dem großen Geheimnis ihrer Mutter erfährt. Diese war in den letzten Jahren ihres Lebens spielsüchtig und hatte Kreditschulden bei verschiedenen privaten Anbietern in Höhe von 700.000 Euro. Die Tochter der B. sollte eine bedingte Erbantrittserklärung abgeben. Dann haftet sie nur mehr bis zum Wert der Aktiva, also nur in Höhe von 500.000 Euro.

Bei der Abgabe einer bedingten Erbantrittserklärung wird ein gerichtliches Inventar erstellt, das alle Aktiva und Passiva auflistet.

Bei einer unbedingten Erbantrittserklärung haften die Erben hingegen mit ihrem eigenen Vermögen in unbeschränkter Höhe. Dies birgt erhebliche Risiken bei einer überschuldeten Verlassenschaft.

Zusätzlich zu den eigentlichen Schulden müssen die Erben auch die Begräbniskosten und die Kosten des Verlassenschaftsverfahrens tragen.

Was nicht zur Erbschaft gehört

Bestimmte Rechte sind so eng mit der Person des Verstorbenen verbunden, dass sie nicht übertragen werden können. Diese höchstpersönlichen Rechte erlöschen mit dem Tod.

Dazu gehören zB. Gewerbeberechtigungen, Berufstitel und Berufsausübungsrechte und das Recht zur Führung eines akademischen Grades.

Auch familienrechtliche Positionen wie die Obsorge für minderjährige Kinder oder eine Erwachsenenvertretung sind nicht vererbbar.

Schließlich können auch Geld- oder Freiheitsstrafen nicht vererbt werden. Davon zu unterscheiden sind jedoch Schadenersatzansprüche, die sehr wohl vererbt werden können (siehe Beispiel oben).

Praktische Aspekte des Verlassenschaftsverfahrens

Zum Zweck der Einantwortung und der Übergabe der Verlassenschaft an die Erben, wird ein Verlassenschaftsverfahren durchgeführt. Damit soll sichergestellt werden, dass nur rechtmäßige Erben die Vermögenswerte der verstorbenen Person übernehmen. Für das Verlassenschaftsverfahren ist das Bezirksgericht am Wohnort des/der Verstorbenen zuständig. Vom Bezirksgericht wird ein/e Notar:in als Gerichtskommisär:in bestellt, welche/r im Auftrag des Gerichts das Verlassenschaftsverfahren abwickelt. Dazu zählt die Ermittlung der Erben, die Entgegennahme von Erbantrittserklärungen und die Erstellung des Inventars. Die Kosten des Verfahrens richten sich nach dem Wert der Verlassenschaft und sind aus dieser zu bestreiten.

Die Bewertung des Nachlasses erfolgt zum Verkehrswert im Todeszeitpunkt. Bei Immobilien ist nicht der Einheitswert oder der seinerzeitige Kaufpreis maßgeblich, sondern der aktuelle Marktwert. Häufig werden Sachverständige zur Bewertung herangezogen.

Die Erbschaftssteuer wurde in Österreich bereits 2008 abgeschafft, sodass keine direkten Steuern auf die Erbschaft anfallen. Bei der Übertragung von Immobilien fällt aber eine Grunderwerbssteuer an.

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