Kann ich jemanden enterben? Was ist die Erbunwürdigkeit?

Die Enterbung zählt im österreichischen Erbrecht zu den einschneidendsten Maßnahmen. Nahe Angehörige – nämlich die Nachkommen und der/die Ehepartner:in – haben grundsätzlich einen Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil. Eine vollständige Enterbung durch letztwillige Verfügung ist nur bei besonders schwerwiegenden Gründen möglich. Davon zu unterscheiden ist die Erbunwürdigkeit, die automatisch kraft Gesetzes eintritt.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Pflichtteil ist geschützt: Nachkommen und Ehepartner:innen haben grundsätzlich Anspruch auf die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils.
  • Enterbung braucht Gründe: Eine vollständige Enterbung ist nur bei gesetzlich festgelegten, schwerwiegenden Gründen zulässig.
  • Testament erforderlich: Die Enterbung muss im Testament ausdrücklich angeordnet und begründet werden.
  • Erbunwürdigkeit ist etwas anderes: Sie tritt automatisch kraft Gesetzes ein, im Unterschied zur Enterbung, die aktiv verfügt werden muss.
  • Verzeihung möglich: Sowohl Enterbung als auch Erbunwürdigkeit können durch Verzeihung des Erblassers aufgehoben werden

Grundlagen des österreichischen Erbrechts

In Österreich gibt es das sogenannte Pflichtteilsrecht. Es schützt nahe Angehörige vor dem vollständigen Ausschluss vom Erbe. Pflichtteilsberechtigt sind die Nachkommen des/der Verstorbenen sowie der/die Ehepartner:in bzw eingetragene Partner:in. Die Eltern gehören seit 2017 nicht mehr zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen. Die Höhe des Pflichtteils hängt vom gesetzlichen Erbrecht ab. Ist man pflichtteilsberechtigt, soll man zumindest die Hälfte der gesetzlichen Erbquote erhalten.

Pflichtteilsberechtigte Personen haben immer nur Anspruch auf eine bestimmte Geldsumme. Der Pflichtteil kann nur unter besonderen Umständen entzogen werden. Die bloße Übergehung einer Person im Testament ist noch keine Enterbung

Beispiel: Wird beispielsweise ein Kind im Testament nicht erwähnt, steht ihm trotzdem sein gesetzlicher Pflichtteil zu. Erst wenn auch dieser Pflichtteil entzogen wird, spricht man rechtlich von einer Enterbung.

Was versteht man unter Enterbung?

Enterbung bedeutet die gänzliche oder teilweise Entziehung des Pflichtteils durch eine letztwillige Verfügung (§ 769 ABGB). Der Erblasser muss in seinem Testament ausdrücklich erklären, dass er eine bestimmte Person enterbt und warum er dies tut. Eine stillschweigende Enterbung durch bloßes Übergehen reicht nicht aus.

Eine Enterbung ist nur wirksam, wenn ein gesetzlicher Enterbungsgrund vorliegt und dieser konkret im Testament angeführt wird.

Damit die Enterbung wirksam ist, muss der konkrete Grund in der letztwilligen Verfügung (z.B. im Testament) auch benannt werden. Die Erben müssen später vor Gericht beweisen können, dass der angeführte Grund tatsächlich vorlag.

Formulierungen wie:
„…aus Gründen, die allen bekannt sind“, „…wegen schwerwiegender Verfehlungen“ oder
„…wegen langjähriger Entfremdung“ sind zu unbestimmt und werden von der Rechtsprechung regelmäßig als unwirksam beurteilt.

Welche Enterbungsgründe gibt es?

Die Enterbungsgründe sind in § 770 ABGB abschließend geregelt. Eine Enterbung ist nur aus einem dieser gesetzlich festgelegten Gründe wirksam. Eine pflichtteilsberechtigte Person kann enterbt werden, wenn sie

  1. gegen den/die Verstorbene/n eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,
    Beispiel: Die Tochter des/r Verstorbenen hat von ihrem Vater sehr wertvollen Schmuck gestohlen. Da schwerer Diebstahl (§ 128 StGB) mit bis zu drei Jahren Freiheitsstrafe bedroht ist und es sich um eine Vorsatztat handelt, kommt eine Enterbung in Betracht.
  2. gegen bestimmte Angehörige des/r Verstorbenen eine gerichtlich strafbare Handlung begangen hat, die nur vorsätzlich begangen werden kann und mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe bedroht ist,
    Beispiel: Der Ehemann der A. hat die Schwester von A. schwer am Körper verletzt (§ 84 StGB). A. war entsetzt davon und entzog ihrem Ehemann den Pflichtteil mittels Testaments. Kurz vor der Scheidung starb A. Es liegt ein Enterbungsgrund vor.
  3. absichtlich die Verwirklichung des wahren letzten Willens des/r Verstorbenen vereitelt oder zu vereiteln versucht hat,
    Beispiel: B. hat ein Testament geschrieben und ihrem Sohn nichts außer den Pflichtteil zuerkannt. Dieser erfährt von dem Testament, entfernt es wütend aus der Schreibtischschublade seiner Mutter und vernichtet es. Damit hat er einen Enterbungsgrund gesetzt.
  4. dem Verstorbenen in verwerflicher Weise schweres seelisches Leid zugefügt hat,
    Beispiel: C. hat jahrelang unter dem Psychoterror und den ständigen Kränkungen & Beschimpfungen ihres Ehemannes gelitten. Sie kann ihn mit einem Testament enterben.
  5. sonst seine familienrechtlichen Pflichten gegenüber dem Verstorbenen gröblich vernachlässigt hat,
    Beispiel: M. hat zwei erwachsene Söhne. Der ältere Sohn hat sie seit zehn Jahren nicht besucht, obwohl sie schwer krank ist und Hilfe braucht. Als sie ihn um Unterstützung bittet, beschimpft er sie und droht ihr sogar. In ihrem Testament kann M. diesen Sohn wegen gröblicher Vernachlässigung familiärer Pflichten enterben.
  6. Oder wegen einer oder mehrerer mit Vorsatz begangener strafbarer Handlungen zu einer lebenslangen oder zwanzigjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden ist.
    Der Sohn der A. hat einen Mord (§ 75 StGB) begangen und wurde zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. A kann ihn deswegen enterben.

Was ist Erbunwürdigkeit?

Ein und dasselbe Verhalten kann sowohl einen Grund für die Erbunwürdigkeit als auch für eine Enterbung darstellen. Erben kann nur, wer rechtsfähig ist und dem/der Erblasser:in gegenüber nicht erbunwürdig ist. Auch die Erbunwürdigkeit ist im ABGB geregelt.

Im Gegensatz zur Enterbung braucht es dafür keine Anordnung im Testament – die Erbunwürdigkeit wirkt von selbst. Erbunwürdigkeit tritt automatisch kraft Gesetzes ein.

Es wird zwischen absoluter und relativer Erbunwürdigkeit unterschieden:

  • Absolute Erbunwürdigkeit liegt vor bei vorsätzlichen, gerichtlich strafbaren Handlungen gegen den/die Erblasser:in mit mehr als einjähriger Freiheitsstrafe (§ 539 ABGB) sowie bei Angriffen auf den letzten Willen (§ 540 ABGB).
  • Relative Erbunwürdigkeit tritt bei bestimmten strafbaren Handlungen gegen Angehörige des/der Verstorben ein und bei der Zufügung von schwerem seelischem Leid. Ein weiterer relativer Erbunwürdigkeitsgrund ist die gröbliche Vernachlässigung der Pflichten aus dem Eltern-Kind-Verhältnis. Im Gegensatz zur absoluten Erbunwürdigkeit kommt es bei der relativen Erbunwürdigkeit nur dann zum Verlust der Erbfähigkeit, wenn der/die Verstorbene nicht mehr in der Lage war, eine Enterbung vorzunehmen (§ 541 ABGB).

Es gibt mehr Enterbungsgründe als Erbunwürdigkeitsgründe. Eine Verzeihung ist jedoch sowohl bei der Enterbung, als auch bei der Erbunwürdigkeit möglich.

Die Pflichtteilsminderung als Alternative

Der Pflichtteil kann auf die Hälfte gemindert werden, wenn zwischen dem Verstorbenen und dem Pflichtteilsberechtigten zu keiner Zeit oder über einen längeren Zeitraum – in der Regel mindestens 20 Jahre – ein familiäres Naheverhältnis bestand. Voraussetzung ist, dass der Verstorbene diese Minderung ausdrücklich in einer letztwilligen Verfügung angeordnet hat. Eine Pflichtteilsminderung ist jedoch unzulässig, wenn der Verstorbene den Kontakt grundlos abgelehnt hat.

Praktische Umsetzung

Eine wirksame Enterbung erfordert klare Formulierungen im Testament. Der/die Erblasser:in muss den konkreten Enterbungsgrund anführen und den Sachverhalt detailliert schildern. Schon zu Lebzeiten sollten Belege gesammelt werden, wie Korrespondenz, Zeugenaussagen oder ärztliche Atteste.

Enterbte Personen können das Testament anfechten, beispielsweise durch Zweifel an der Testierfähigkeit oder Behauptung der Verzeihung. Vor Gericht wird dann geprüft, ob ein Grund für die Enterbung vorliegt. Um Anfechtungen vorzubeugen, sollte das Testament klar formuliert und der Enterbungsgrund ausführlich dargestellt werden.

Enterbung aus guter Absicht

Besteht auf Grund der Verschuldung oder des verschwenderischen Lebensstils einer pflichtteilsberechtigten Person die Gefahr, dass der Pflichtteil dessen/deren Kinder ganz oder größtenteils entgehen wird, kann der Pflichtteil zugunsten dessen/derer Kinder entzogen werden (§ 771 ABGB).

Beispiel: C., die Tochter des A. ist hoch verschuldet und drogenabhängig. A möchte ihr kein Geld zukommen lassen. Er kann Cs Pflichtteil seinen Enkelkindern (also den Kindern der C.) zuwenden.

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