Was ist die gesetzliche Erbfolge?

Nach dem Tod eines Menschen zeigt sich oft, dass kein Testament hinterlassen wurde. Dabei hätte die verstorbene Person mit einem Testament ihren Nachlass selbst regeln können. Diese Möglichkeit wird jedoch häufig nicht genutzt. Das österreichische Recht stellt sicher, dass das Vermögen dennoch geordnet verteilt wird. In den meisten Fällen hätte sich die verstorbene Person gewünscht, dass ihr Besitz an nahe Angehörige geht. Diesem Prinzip folgt die gesetzliche Erbfolge, die Familienmitglieder begünstigt. In diesem Artikel erfahren Sie alles Wichtige zur gesetzlichen Erbfolge in Österreich.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ist kein Testament vorhanden oder betrifft das Testament nicht das gesamte Vermögen, kommt es zur gesetzlichen Erbfolge. Sie tritt auch ein, wenn die eingesetzten Erben die Verlassenschaft nicht annehmen.
  • Nach der gesetzlichen Erbfolge werden die Familienangehörigen des/der Verstorbenen begünstigt.
  • Die Familienangehörigen werden in vier Parentelen eingeteilt: In der 1. Parentel befinden sich die direkten Nachkommen (Kinder, Enkel etc.) und in der 2. Parentel die Eltern und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten/Neffen etc.).  Die 3. Parentel umfasst die Großeltern und deren Nachkommen und die 4. Parentel die Urgroßeltern.
  • Es erben immer nur Personen aus einer Parentel. Das nachfolgende Parentel kommt nur zum Zug, wenn im vorhergehenden keine Erben vorhanden sind (Prinzip „jung vor alt“)
  • Auch der/die Ehepartner:in besitzt ein gesetzliches Erbrecht. Die Höhe hängt davon ab, wer neben dem/der Ehepartner:in noch ein gesetzliches Erbrecht besitzt.

Wann kommt es zur gesetzlichen Erbfolge?

§ 727 ABGB regelt, dass die gesetzliche Erbfolge in folgenden Fällen zur Anwendung kommt:

  • Es gibt keine (gültige) letztwillige Verfügung
  • Die letztwillige Verfügung betrifft nicht das ganze Vermögen
  • Die eingesetzten Erbinnen/Erben können oder wollen die Verlassenschaft nicht annehmen.

In der Praxis kommt es häufig aufgrund des gänzlichen Fehlens einer letztwilligen Verfügung zur gesetzlichen Erbfolge. Eine letztwillige Verfügung bietet grundsätzlich die Möglichkeit, bereits zu Lebzeiten festzulegen, wie das eigene Vermögen nach dem Tod verteilt werden soll. Weitere Informationen zu den verschiedenen Testamentstypen finden Sie hier. (Verlinkung zu Artikel „Welche Arten von Testamenten gibt es in Österreich“)

Was ist das Parentelensystem?

Das Parentelensystem ist ein Ordnungsprinzip der gesetzlichen Erbfolge in Österreich, das die Erbberechtigten in Erbgruppen (Parentelen) einteilt. Es gibt vier Parentelen, die nach der Nähe der Verwandtschaft zum/r Verstorbenen geordnet sind:

  1. Erste Parentel: Kinder und deren Nachkommen (Enkel, Urenkel).
  2. Zweite Parentel: Eltern des/der Verstorbenen und deren Nachkommen (Geschwister, Nichten, Neffen).
  3. Dritte Parentel: Großeltern des/der Verstorbenen und deren Nachkommen (Onkel, Tanten, Cousins, Cousinen).
  4. Vierte Parentel: Urgroßeltern (ohne deren Nachkommen)

Eine Parentel erbt dabei nur, wenn in den vorhergehenden Parentelen keine Erben vorhanden sind. Ehepartner:innen und Eingetragene Partner:innen sind nicht Teil des Parentelensystems, sondern besitzen ein eigenes Erbrecht.

Beachten Sie, dass durch die gesetzliche Erbfolge keine familienfremden Personen begünstigt werden. Wollen Sie familienfremde Personen als Erben einsetzen oder etwa einer NGO eine Summe Geld hinterlassen, sollten Sie unbedingt eine letztwillige Verfügung errichten. (Verlinkung zum Artikel „Welche Arten von Testamenten gibt es in Österreich“)

Die erste Parentel:

In der ersten Gruppe befinden sich die direkten Nachkommen der verstorbenen Person. Dazu zählen die Kinder, Enkelkinder und Urenkelkinder. Nur wenn in dieser Parentel niemand lebt, können Verwandte aus anderen Parentelen erben. Hatte der/die Erblasser:in also Kinder oder Enkelkinder, werden die (Groß-)Eltern oder Geschwister nach der gesetzlichen Erbfolge nicht berücksichtigt

Das Erbrecht in der ersten Parentel ist folgendermaßen ausgestaltet:

  • Die (lebenden) Kinder erben zu gleichen Teilen („alt vor jung“)
    Beispiel: Der Erblasser hatte eine Tochter und einen Sohn. War der Erblasser nicht verheiratet, erhalten seine beiden Kinder jeweils die Hälfte seines Vermögens.
  • Ist ein Kind bereits zu Lebzeiten des Verstorbenen vorverstorben, erben dessen eigene Kinder seinen Anteil (Repräsentation). War das verstorbene Kind kinderlos, fällt dessen Anteil an die überlebenden Geschwister.
    Beispiel: Der Erblasser hatte zwei Kinder, A. und B. A. lebt noch, B. ist bereits vorverstorben und hatte zwei Kinder (Enkelkinder des Erblassers). A. erbt 50 %, die beiden Kinder von B. teilen sich gemeinsam die restlichen 50 % (jeweils 25 %).
    Variante: Hatte B. keine Kinder, fällt sein Anteil an seinen Bruder A. A. erbt in diesem Fall das gesamte Vermögen allein (100%).
  • Gibt es keine Personen in der ersten Parentel, erbt die zweite Parentel.

Die zweite Parentel

Hier können die Eltern der verstorbenen Person sowie deren Nachkommen erben.

  • Leben beide Eltern noch, erben sie jeweils die Hälfte der Verlassenschaft („alt vor jung“).
  • Ist ein Elternteil bereits vorverstorben, kommt eine Repräsentation durch dessen Kinder in Betracht. Ist eine Repräsentation nicht möglich, fällt der Anteil an den anderen lebenden Elternteil.
    Beispiel: Die verstorbene Person hatte keine Kinder, und auch die Mutter ist bereits verstorben. Der Vater und zwei (Halb-)Geschwister leben noch. Die (Halb-)Geschwister erben jeweils ein Viertel des Vermögens, da sie den Anteil ihrer Mutter übernehmen (Repräsentation). Der Vater erbt die andere Hälfte. Wenn jedoch keine Nachkommen der Mutter existieren, erbt der Vater das gesamte Vermögen.
    Variante: Ist die Schwester des Erblassers neben der Mutter auch schon verstorben, kann sie durch ihre eigenen Kinder (also Nichten/Neffen des/der Erblasser:in) repräsentiert werden.
  • Gibt es keine Personen in der zweiten Parentel, kommt die dritte Parentel zum Zug.

Die dritte Parentel

In der dritten Parentel befinden sich die Großeltern des Verstorbenen sowie deren Nachkommen, also Onkel und Tanten des/der Verstorbenen und deren Kinder (also Cousins und Cousinen des/der Verstorbenen).

Die Reihenfolge innerhalb der dritten Parentel lautet wie folgt:

  • Leben die Großeltern noch, erhalten diese jeweils ¼ der Verlassenschaft („alt vor jung“)
  • Wenn ein Großelternteil bereits vorverstorben ist, kommt eine Repräsentation durch dessen Kinder in Betracht.
    Beispiel: A stirbt. Es leben nur noch die Großeltern mütterlicherseits sowie die Großmutter väterlicherseits. Diese erben jeweils ¼ der Verlassenschaft. Der Großvater väterlicherseits kann durch seine Tochter (Tante des/der Verstorbenen) repräsentiert werden.  
  • Wenn das Großelternteil, das vor dem Verstorbenen gestorben ist, keine eigenen Kinder hatte, erhält das andere Großelternteil (entweder mütterlicher- oder väterlicherseits) dessen Anteil. Sollte von einem Großelternpaar kein Großelternteil mehr leben, fällt der gesamte Anteil des verstorbenen Großelternteils dem noch lebenden Großelternpaar zu.
  • Beispiel: A stirbt. Die einzigen Verwandten sind ihre Großmutter mütterlicherseits und der Großvater väterlicherseits.
    Die Großmutter mütterlicherseits erbt ihren eigenen Anteil (1/4) sowie den Anteil des verstorbenen Großvaters mütterlicherseits, da dieser keine Kinder (also keine Nachkommen) hinterlassen hat. Sie erhält also die Hälfte der Verlassenschaft.
    Der Großvater väterlicherseits erbt seinen eigenen Anteil (1/4) sowie den Anteil seiner verstorbenen Frau, also die Hälfte der Verlassenschaft.
  • Variante: Der Großvater väterlicherseits ist der einzige noch lebende Verwandte des verstorbenen A. Er erbt das gesamte Vermögen des A.
  • Gibt es keine Personen in der dritten Parentel, kommt die vierte Parentel zum Zug.

Die vierte Parentel

Zur vierten Parentel gehören alle acht Urgroßelternteile der verstorbenen Person, jedoch ohne deren Nachkommen. Fälle, in denen nur noch Urgroßeltern vorhanden sind und keine Erben aus den ersten drei Parentelen, sind in der Praxis sehr selten.

Kurz gesagt gilt folgendes:

  • Für den utopischen Fall, dass alle Urgroßelternteile noch leben, erhalten diese je 1/8 der Verlassenschaft. Sind Urgroßeltern bereits vorverstorben, wächst ihr Anteil den anderen Urgroßeltern zu.

Mangels praktischer Relevanz wird auf eine detailliertere Ausführung verzichtet.

Erbt auch mein Ehegatte bzw. meine Ehegattin?

Ja! Auch der/die Ehepartner:in besitzt ein gesetzliches Erbrecht. Wie hoch der Anteil ausfällt, ist unterschiedlich:

  • Neben Kindern/Enkelkindern des/der Verstorbenen: 1/3 der Verlassenschaft
  • Neben den Eltern des/der Verstorbenen: 2/3 der Verlassenschaft
  • In den übrigen Fällen: die gesamte Verlassenschaft

Dies gilt gleichermaßen für eingetragenen Partner:innen.

Beispiel 1: A. stirbt und hinterlässt eine Ehefrau sowie zwei Kinder. Die Ehefrau enthält 1/3 der Verlassenschaft, die Kinder erhalten ebenfalls je 1/3.

Beispiel 2: B. stirbt kinderlos. Ihr Ehemann erhält 2/3, die Eltern der B. je 1/6. Sind die Eltern bereits vorverstorben, erhält der Ehemann die ganze Verlassenschaft. Die Geschwister der B. erhalten in diesem Fall nichts.

Beachten Sie: Diese Regelungen gelten nicht für Lebensgefährtinnen und Lebensgefährten. Wollen Sie diesen etwas vererben, sollten Sie auf jeden Fall ein Testament erstellen. (Verlinkung zum Artikel „Welche Arten von Testamenten gibt es in Österreich“)

Ich habe keine Verwandten – wer erbt mein Vermögen?

Wenn kein Testament errichtet wurde und es keine gesetzlichen Erben gibt, kann es zu einem außerordentlichen Erbrecht des Lebensgefährten bzw. der Lebensgefährtin kommen, sofern diese/dieser mit dem/der Verstorbenen in den letzten drei Jahren vor dem Tod in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hat.

Falls dies nicht möglich ist, gibt es auch ein außerordentliches Erbrecht der Vermächtnisnehmer. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass der/die Erblasser:in mindestens ein Vermächtnis errichtet hat.

Kommen auch diese Optionen nicht in Frage, bekommt der Staat die Verlassenschaft (Aneignung durch den Bund). 

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