Das Wichtigste in Kürze:
- Bei einer Erbeinsetzung wird der/die Begünstigte zum/r Gesamtrechtsnachfolger:in und übernimmt die gesamte Erbschaft oder einen bestimmten Anteil davon. Auch Schulden werden grundsätzlich vererbt.
- Eine Vermächtnisanordnung verschafft der begünstigten Person nur einen Anspruch auf bestimmte Vermögensgegenstände. Es handelt sich um eine letztwillige Zuwendung ohne Hinterlassung eines Erbteils.
- Ein Vermächtnis kann mit einem Testament, einer Verfügung ohne Erbeinsetzung oder in einem Erbvertrag verfügt werden.
- Erben haften für Schulden des Nachlasses, Vermächtnisnehmer grundsätzlich nicht
- In seltenen Fällen können Vermächtnisnehmer die Verlassenschaft übernehmen. Dies nennt man «außerordentliches Erbrecht» der Vermächtnisnehmer.
Die rechtlichen Grundlagen im österreichischen Erbrecht
Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch (ABGB) unterscheidet klar zwischen der Erbeinsetzung und der Vermächtnisanordnung. Eine Erbeinsetzung liegt vor, wenn jemand zum Erben des gesamten Vermögens oder eines bestimmten Anteils davon bestimmt wird. Die Erben werden damit zu Gesamtrechtsnachfolgern der verstorbenen Person und treten in alle ihre Rechte und Pflichten ein. Erbe wird jemand entweder durch gesetzliche Erbfolge oder aufgrund einer letztwilligen Verfügung. Da die meisten Menschen kein Testament errichten oder nicht zur Gänze über ihren Nachlass verfügen, kommt die gesetzliche Erbfolge sehr häufig zum Zug.
Ein Vermächtnis führt lediglich zu einer Einzelrechtsnachfolge. Die bedachte Person erwirbt nur den Anspruch auf eine bestimmte Sache oder Geldsumme, tritt jedoch nicht in die Rechte und Pflichten der verstorbenen Person ein. Vermächtnisnehmer:innen haben somit nur einen schuldrechtlichen Anspruch auf bestimmte Vermögenswerte aus dem Nachlass. Diesen Anspruch können sie gegen die Erben geltend machen. Anders als die Erben haften sie grundsätzlich nicht für die Schulden der Verlassenschaft.
Beispiele für Vermächtnisse:
- „Meine Enkeltochter B. soll meine Briefmarkensammlung erhalten“
- „Ich möchte meinem Nachbar T. meine wertvolle Teekanne vermachen“
- „Meine Schwester soll das Ölgemälde haben, welches in der Küche hängt“
Schuldnerin eines Vermächtnisses ist zunächst die Verlassenschaft; nach der Einantwortung trifft die Erben die Verpflichtung zur Erfüllung. Der Anspruch auf das Vermächtnis entsteht unmittelbar mit dem Tod der verstorbenen Person. Zur Durchsetzung steht die Vermächtnisklage zur Verfügung. Der Anspruch auf Herausgabe der vermachten Sache verjährt binnen drei Jahren ab dem Zeitpunkt, in dem der/die Berechtigte von den maßgeblichen Tatsachen Kenntnis erlangt.
Praktische Auswirkungen für Begünstigte
Die Unterschiede zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung zeigen sich besonders deutlich in der Praxis. Folgender Fall dient der Veranschaulichung:
Eine verwitwete Wienerin besitzt eine Eigentumswohnung im Wert von 400.000 Euro und Sparbücher im Wert von 50.000 Euro. Zudem hat sie noch einen offenen Kredit in Höhe von 30.000 Euro. Sie möchte ihre beiden Kinder bedenken.
- Variante Erbeinsetzung: Setzt sie beide Kinder je zur Hälfte als Erben ein, werden diese Miteigentümer der Wohnung und des Sparguthabens. Gleichzeitig haften sie aber auch zu gleichen Teilen für den Kredit. Sie müssen gemeinsam über die Verwaltung und die mögliche Veräußerung der Wohnung entscheiden.
- Variante Vermächtnisanordnung: Setzt sie nur die Tochter als Alleinerbin ein und ordnet für den Sohn ein Geldvermächtnis von 200.000 Euro an, erhält die Tochter die gesamte Wohnung und das Sparguthaben. Sie allein haftet für den Kredit und muss dem Sohn aus dem Nachlass 200.000 Euro auszahlen. Der Sohn hat kein Mitspracherecht bei der Verwaltung des Nachlasses.
Sonderfälle
Das außerordentliche Erbrecht der Vermächtnisnehmer:
In seltenen Fällen wird aus der bloßen Stellung als Vermächtnisnehmer:in eine Erbenstellung. § 749 ABGB sieht vor, dass die bedachten Vermächtnisnehmer verhältnismäßig als Erben betrachtet werden, wenn weder ein gesetzlicher Erbe noch der/die Lebensgefährte/Lebensgefährtin zur Verlassenschaft gelangt.
Beispiel: A. stirbt. Er hinterlässt keine Familie und keine Lebensgefährtin. In einem Testament hat er seinen zwei Nachbarinnen je ein wertvolles Gemälde vermacht. Die Nachbarin B. soll ein Gemälde erhalten, das 10.000 Euro wert ist, die Nachbarin C. eines, das 30.000 Euro wert ist. Beide Nachbarinnen werden im Verhältnis 1:3 als Erben betrachtet.
Die Beitragspflicht der Vermächtnisnehmer zum Pflichtteil:
Der/die Erblasser:in kann nicht vollständig frei über sein Vermögen verfügen. Bestimmte Personen genießen einen besonderen gesetzlichen Schutz. Sowohl Kinder und der/die Ehepartner:in haben einen Anspruch auf den gesetzlichen Pflichtteil. Sie sollen zumindest die Hälfte dessen erhalten, was ihnen nach der gesetzlichen Erbfolge zugestanden hätte.
Beispiel: Der Erblasser hinterlässt eine Ehefrau und zwei Söhne. Da ein Testament vorhanden ist, kann es nicht zur gesetzlichen Erbfolge kommen. Die Hinterbliebenen sind schockiert, als sie erfahren, dass die Nachbarin (und heimliche Geliebte) des Erblassers das gesamte Vermögen erhalten soll. Nach der gesetzlichen Erbfolge – also ohne Testament – wäre ihnen je 1/3 der Verlassenschaft zugestanden. Der Pflichtteil beträgt 50% der gesetzlichen Erbquote, somit je 1/6.
Der Pflichtteil ist von den Erben zu erfüllen. Es würde aber als unfair betrachtet werden, wenn die Erben allein die Pflichtteile ausbezahlen müssten. Stattdessen müssen auch die Vermächtnisnehmer:innen ihren Beitrag leisten. Sie haben zur Deckung der Pflichtteile verhältnismäßig beizutragen (§ 764 ABGB).
Empfehlungen für die Testamentsgestaltung
Bei der Entscheidung zwischen Erbeinsetzung und Vermächtnisanordnung sollten folgende Überlegungen angestellt werden:
- Wer das Familienvermögen zusammenhalten und fortführen soll, sollte als Erbe eingesetzt werden. Dies gilt besonders bei Unternehmensfortführungen oder landwirtschaftlichen Betrieben.
- Für Zuwendungen an entferntere Verwandte, Freunde oder gemeinnützige Organisationen eignen sich meist Vermächtnisse besser. Die Begünstigten erhalten ihre Zuwendung, ohne sich mit Nachlassschulden oder anderen Erben auseinandersetzen zu müssen.
- Die klare sprachliche Unterscheidung im Testament ist entscheidend. Formulierungen wie „Ich setze meinen Sohn als Erben ein“ oder „Ich vermache meiner Nichte meine Briefmarkensammlung“ lassen keinen Interpretationsspielraum.