Das Wichtigste in Kürze:
- Der Pflichtteil ist ein gesetzlich geschützter Mindestanteil am Nachlass.
- Pflichtteilsberechtigt sind bestimmte nahe Angehörige.
- Es ist möglich – unter Einhaltung bestimmter Formvorschriften – auf den Pflichtteil zu verzichten.
- Ein Verzicht kann sich nur auf den Pflichtteil (Pflichtteilsverzicht) oder auch auf die gesetzliche Erbfolge beziehen (Erbverzicht).
- Der Verzicht wirkt endgültig und kann in der Regel nicht widerrufen werden.
Was ist der gesetzliche Pflichtteil überhaupt?
Der Pflichtteil ist ein gesetzlich geschützter Mindestanteil am Nachlass. Er steht bestimmten nahen Angehörigen zu und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Pflichtteilsberechtigt sind Nachkommen (Kinder, Enkel) und der/die Ehegatte/Ehegattin bzw. eingetragene/r Partner:in. Diese Personen können nicht einfach durch ein Testament vom Erbe ausgeschlossen werden – ihnen steht zumindest der Pflichtteil zu. Eltern gehören seit 2017 nicht mehr zum Kreis der pflichtteilsberechtigten Personen.
Wenn die auftraggebende Person beispielsweise ihr gesamtes Vermögen einer gemeinnützigen Organisation vermachen möchte, können die Kinder dennoch ihren gesetzlichen Pflichtteil geltend machen. Sie haben dann den Anspruch, eine bestimmte Geldsumme zu erhalten.
Mehr zum gesetzlichen Pflichtteil erfahren Sie hier.
Ist ein Verzicht auf den Pflichtteil möglich?
Ja! Sie können auf Ihren Pflichtteil auch verzichten. Man unterscheidet zwischen Erbverzicht und Pflichtteilsverzicht.
Erbverzicht (§ 551 ABGB):
Ein Erbverzicht ist ein Vertrag, der zwischen dem/r künftigen Erblasser:in und einem potenziellen Erben abgeschlossen wird. Ein Erbe kann so schon zu Lebzeiten auf sein gesetzliches Erbrecht verzichten. Dies erfolgt durch einen Vertrag in Form eines Notariatsaktes oder ein gerichtliches Protokoll. Eine einfache schriftliche Vereinbarung zwischen den Beteiligten reicht nicht aus. Diese strenge Form soll sicherstellen, dass der Verzichtende sich der Tragweite seiner Entscheidung bewusst ist.
Wer auf sein gesetzliches Erbrecht verzichtet, verzichtet grundsätzlich auch auf seinen gesetzlichen Pflichtteil! Der Erbverzicht ist grundsätzlich unwiderruflich, er kann also nicht einfach einseitig zurückgenommen oder abgeändert werden.
Es ist aber durchaus möglich, eine verzichtende Person noch im Rahmen eines Testaments zu begünstigen.
Der Erbverzicht erstreckt sich in aller Regel auch auf die Nachkommen der verzichtenden Person. Es ist aber möglich, im Vertrag explizit eine andere Regelung vorzusehen.
Beispiel: Der Sohn des A. möchte auf sein Erbe verzichten. Zu diesem Zweck erfolgt mittels Notariatsaktes ein Erbverzicht. Der Sohn stirbt aber tatsächlich vor seinem Vater. Seine eigenen Kinder (also die Enkelkinder des A) gehen aufgrund des Erbverzichts leer aus, da sich der Verzicht auch auf die Nachkommen erstreckt.
Pflichtteilsverzicht (§ 758 ABGB):
Pflichtteilsberechtigte können per Notariatsakt auch nur auf ihren Pflichtteil verzichten. Dies kommt in der Praxis häufig vor. Auch dieser Verzicht gilt im Zweifel für die Nachkommen. Der Pflichtteilsverzicht bewirkt, dass der/die Erblasser:in der pflichtteilsberechtigten Person keinen Pflichtteil zuwenden muss. Es wäre dann etwa möglich, das gesamte Vermögen einer gemeinnützigen Einrichtung zukommen zu lassen. Bei der Gestaltung des Testaments muss somit keine Rücksicht auf Pflichtteilsberechtigte genommen werden, die verzichtet haben.
Gibt es jedoch kein Testament, greift die gesetzliche Erbfolge. Anders als der Erbverzicht umfasst der Pflichtteilsverzicht eben nur den Pflichtteil und nicht den gesetzlichen Erbteil. Die verzichtende Person könnte also trotzdem zum Zug kommen und durch die gesetzliche Erbfolge mehr erhalten als das, was ihr gesetzlicher Pflichtteil ausmachen würde.
Warum sollte ich auf mein Erbe oder meinen Pflichtteil verzichten?
Es kann verschiedene Gründe für einen Erb- oder Pflichtteilsverzicht geben. Sowohl der Erbverzicht, als auch der Pflichtteilsverzicht erfolgen meistens zur Schaffung von Rechtsklarheit innerhalb der Familie. Häufig verzichten Kinder auf ihren Pflichtteil, wenn sie bereits zu Lebzeiten eine größere finanzielle Zuwendung erhalten haben oder wenn sie die Verteilung des Nachlasses gemäß dem Willen der vererbenden Person ermöglichen möchten.
Beispiel 1: Eine Mutter möchte ihr Familienunternehmen an ihre Tochter übergeben, die das Geschäft weiterführen soll. Der Sohn arbeitet in einem anderen Bereich und hat bereits beim Hausbau finanzielle Unterstützung erhalten. Er verzichtet auf seinen Pflichtteil, damit die Schwester das Unternehmen ohne spätere Ausgleichszahlungen übernehmen kann.
Beispiel 2: B. hat zwei Kinder aus einer früheren Ehe und heiratet mit 60 noch einmal neu. Seine neue Frau vereinbart mit den Kindern des B., dass sie auf den Pflichtteil verzichten wird. Immerhin hat sie genug eigenes Vermögen und möchte, dass nur die Kinder des B. nach seinem Tod etwas erben.