Was passiert, wenn ich kein Testament errichtet habe und ganz plötzlich versterbe?

Ohne Testament regelt das Gesetz die Erbfolge – oft anders, als es sich der/die Verstorbene wünschen würde. Lebenspartner:innen bleiben häufig unberücksichtigt, entfremdete Verwandte erhalten gleich viel wie nahe Angehörige, und es droht die Gefahr der Zerschlagung von wichtigen Vermögenswerten. Das lässt sich vermeiden: Wer frühzeitig ein Testament verfasst, schützt seine Angehörigen vor Streit und schafft klare Nachlassregelungen.

Das Wichtigste in Kürze:

  • Ohne Testament entscheidet das Gesetz, wer erbt – und das entspricht nicht immer den Wünschen des/der Verstorbenen.
  • Lebenspartner:innen erben ohne Testament, auch nach jahrzehntelanger Beziehung, nur in seltenen Fällen.
  • Mit einem Testament – idealerweise im Dialog mit Angehörigen – lassen sich familiäre Konflikte und teure Prozesse vermeiden.
  • Durch das Eintreten der gesetzlichen Erbfolge kann die Gefahr der Zerschlagung von Vermögenswerten drohen.
  • Mit einer letztwilligen Verfügung können Sie bestimmte Vermögenswerte gezielt einer Person zuweisen.
  • Das Pflichtteilsrecht schützt nahe Angehörige – vollständiges Enterben ist nur in Ausnahmefällen möglich.
  • Ein Testament hilft, ungewollte Erbengemeinschaften und langwierige Auseinandersetzungen zu vermeiden.

Welche Regeln gelten ohne Testament?

Nach dem Tod eines Menschen zeigt sich häufig, dass kein Testament errichtet wurde. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Regelungen für den Nachlass gibt. In solchen Fällen greift die gesetzliche Erbfolge – ein System, das darauf abzielt, den mutmaßlichen Willen der Verstorbenen nachzuvollziehen.

Viele Menschen würden auf die Frage, wer ihr Vermögen erben soll, wohl antworten: die Familie und der/die Ehepartner:in – also jene Personen, die ihnen emotional am nächsten stehen. Diesem Gedanken folgt auch das Gesetz: Die gesetzliche Erbfolge begünstigt enge Verwandte und Ehegatten und kommt immer dann zur Anwendung, wenn keine (gültige) letztwillige Verfügung vorliegt (§ 727 ABGB).

Mehr zur gesetzlichen Erbfolge erfahren Sie hier.

Häufige Probleme der gesetzlichen Erbfolge

Die gesetzliche Erbfolge schafft in vielen Fällen klare und bewährte Regeln, kann aber im Einzelfall zu Problemen und unerwünschten Folgen führen:

Erbrecht von entfremdeten VerwandtenDas Gesetz berücksichtigt nicht, ob zu den Erben eine enge Beziehung bestand. Ein Bruder, mit dem seit 20 Jahren kein Wort gesprochen wurde, erbt genauso wie die Schwester, mit der ein enger Kontakt bestand. Mit einem Testament kann man das Vermögen nach den eigenen Wünschen verteilen. Die Grenze bildet das Pflichtteilsrecht.
Keine individuelle Zuweisung von VermögenswertenDer Erbe wird durch Einantwortung Gesamtrechtsnachfolger des Verstorbenen und übernimmt dessen Vermögen oder einen Teil davon. Ist nur eine Person zur Erbschaft berufen, wird sie Alleinerbe. Sind mehrere Personen erbberechtigt, bilden sie gemeinsam eine Erbengemeinschaft, der das gesamte Nachlassvermögen zunächst ungeteilt zusteht. Eine individuelle Zuweisung bestimmter Vermögenswerte – etwa einer Immobilie oder eines bestimmten Geldbetrags – an bestimmte Personen ist nur durch eine letztwillige Verfügung möglich. Ohne eine solche Anordnung erfolgt die Aufteilung des Nachlasses nach den gesetzlichen Erbquoten.
Gefahr der Zerschlagung von VermögenswertenBesonders bei Erbengemeinschaften müssen häufig Immobilien oder andere unteilbare Vermögenswerte verkauft werden, um die gesetzliche Erbquote zu erfüllen. Dies kann zu wirtschaftlichen Nachteilen oder sogar dem Verlust von Familienbesitz führen.  
Patchwork-FamilienStiefkinder erben nur im Falle einer Adoption (§ 197 ABGB). Andernfalls sind sie erbrechtlich außen vor.  
Unverheiratete PaareLebenspartner:innen müssen hinter den gesetzlichen Erben zurücktreten und erben nur in seltenen Fällen. Dies gilt auch bei einer jahrzehntelangen Beziehung. Wenn Sie Ihr Vermögen Ihrem/Ihrer Lebensgefährten/Lebensgefährtin zukommen lassen wollen, sollten Sie jedenfalls eine letztwillige Verfügung errichten.
Minderjährige Kinder als gesetzliche ErbenWenn ein Kind etwa Miteigentum an einer Liegenschaft erwirbt, steht die Verwaltung dieses Vermögens unter der Aufsicht des Pflegschaftsgerichts.
Keine Berücksichtigung individueller Beiträge oder PflegeleistungenPflege durch Angehörige oder Dritte kann zwar unter bestimmten Voraussetzungen (z. B. Pflegevermächtnis gem. § 677 ABGB) berücksichtigt werden, ersetzt aber kein gesetzliches Erbrecht.

Kein Erbrecht für Lebensparter:innen und Stiefkinder

25 Jahre zusammen – und trotzdem nichts. Lebensparter:innen sind zwar seit 2017 keine Fremden mehr im österreichischen Erbrecht. Dennoch ist ihre rechtliche Stellung äußerst schwach. Ohne letztwillige Verfügung kommen sie nämlich nur dann zum Zug, wenn es keine gesetzlichen Erben gibt und sie mit der verstorbenen Person in den letzten drei Jahren zusammengelebt haben. Im Rahmen dieses «außerordentlichen Erbrechts» (§ 748 ABGB) fällt ihnen die gesamte Verlassenschaft zu. Es ist aber zu beachten, dass es fast immer Verwandte gibt, die durch die gesetzliche Erbfolge begünstigt werden.

Beispiel: A. lebte 25 Jahre lang mit ihrem Lebensgefährten in einer gemeinsamen Wohnung. Sie waren nicht verheiratet und hatten keine Kinder. Nach dem Tod ihres Partners stellt sich heraus: Die Eltern und Geschwister des Verstorbenen sind bereits verstorben – jedoch lebt noch eine Nichte, zu der kaum Kontakt bestand.

Da kein Testament vorliegt, greift die gesetzliche Erbfolge: Die Nichte erbt den gesamten Nachlass. A. als langjährige Lebensgefährtin geht leer aus – trotz jahrzehntelanger gemeinsamer Lebensführung. Mit einem Testament hätte der Lebensgefährte A. bedenken und ihr alles vermachen können. Dass ihr als Lebensgefährtin zumindest ein gesetzliches Vorausvermächtnis zusteht – nämlich das Recht, noch ein Jahr lang in der Wohnung des Verstorbenen weiter zu wohnen und die zum Haushalt gehörenden Sachen zu gebrauchen – ist ein schwacher Trost.

Auch in Patchworkfamilien kann es zu einer bitteren Überraschung kommen: Stiefkinder haben kein gesetzliches Erbrecht. Selbst wenn sie über Jahre hinweg von der Stiefmutter oder dem Stiefvater wie eigene Kinder aufgezogen wurden, gehen sie im Erbfall leer aus – sofern kein Testament vorliegt oder keine Adoption erfolgt ist. Emotionale Bindung und gemeinsam verbrachte Lebenszeit spielen im Erbrecht keine Rolle.

Klarheit schaffen durch ein Testament

Mit einem Testament können Sie genau festlegen, wie Ihr Vermögen nach Ihrem Tod verteilt werden soll – und so viele Unsicherheiten und Konflikte vermeiden. Anders als bei der gesetzlichen Erbfolge, die feste Regeln vorgibt, haben Sie die Freiheit, Ihre Erben individuell zu bestimmen. So können Sie beispielsweise Lebenspartner:innen absichern, die ohne Testament oft leer ausgehen, oder entfremdete Verwandte gezielt ausschließen. Auch Stiefkinder können Sie durch eine ausdrückliche Verfügung bedenken, die sie sonst nicht automatisch erben würden. Wichtig ist natürlich, dass die Pflichtteilsansprüche von Kinder und Ehegatten gewahrt bleiben.

Darüber hinaus erlaubt ein Testament die gezielte Zuweisung von einzelnen Vermögenswerten, etwa Immobilien oder Wertgegenständen, an bestimmte Personen. Das hilft, Streitigkeiten in Erbengemeinschaften zu vermeiden, in denen sich mehrere Erben ein Nachlassvermögen teilen müssen.

Nicht zuletzt können Sie durch ein Testament auch Pflegeleistungen berücksichtigen und besondere Verdienste einzelner Personen anerkennen. So schaffen Sie klare und gerechte Verhältnisse, schützen Ihre Angehörigen und sorgen für eine reibungslose Nachlassregelung.

Hier erfahren Sie, welche Testamentsarten es in Österreich gibt und worauf Sie bei der Errichtung achten sollten.

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